Lässt WhatsApp die Sprache unserer Kinder verkümmern?

Wahrscheinlich kennen Sie das auch: Sie erhaschen einen Blick auf die Messenger-Konversation Ihrer Kinder und gruseln sich ein bisschen, denn die Nachrichten bestehen zu großen Teilen aus unverständlichem Buchstaben-, Emoji- und Abkürzungs-Wirrwarr. Die Kinder scheinen quasi eine Geheimsprache zu benutzen, die sich vor allem durch Verkürzungen auszeichnet und vielen Eltern fremd bleibt.

Verkümmert so nicht die Sprache der Kinder? Wird dadurch nicht ihre Sprachentwicklung gestört? Wie sollen denn aus diesen Kindern irgendwann einmal Dichter und Denker werden, wenn sie nur in kryptischen Kürzeln und Smileys miteinander kommunizieren?

Das sind Fragen, die mir und vielen anderen Eltern angesichts der Messenger-Nachrichten unserer Kinder doch hin und wieder einmal durch den Kopf gehen. Doch zum Glück müssen wir uns – zumindest diesbezüglich – keine großen Sorgen machen. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrachten diese Kurzsprache offenbar keineswegs als Problem, sondern sogar als Bereicherung. Beim Safer Internet Day 2016 hatte ich die Gelegenheit, mit Dr. Gerd Mannhaupt genau darüber zu sprechen. Er ist Professor für Grundlegung Deutsch an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt und brachte das Ganze wie folgt auf den Punkt: „Bei einer gesunden Sprachentwicklung beherrscht der Sprecher unterschiedliche Register. Register bedeutet, ich kann meine Sprache an mein Gegenüber und an unterschiedliche Situation anpassen. Ein simples Beispiel ist die Schule. Der Schüler lernt im Schulalltag, dass man in ganzen Sätzen antwortet. Er lernt auch, dass in diesem Kontext eine Kurzsprache nicht zugelassen ist. In WhatsApp wiederum lernt er, sich mit minimalem Aufwand verständlich auszutauschen. Kinder und Jugendliche versuchen also, so viel wie möglich an Bedeutung in ein Format zu packen. Aus der Sicht eines Sprachwissenschaftlers erwerben sie sich so ein neues Register. Wenn es ausgewogen ist, also die Kurzsprache nicht das einzige Register ist, in das Kinder hineinwachsen, dann ist diese Ausdrucksform eher eine Sprachanreicherung als eine Verarmung.“

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Thomas Schmidt, Medien- und Kompetenzexperte entwickelt seit mehr als 15 Jahren mit der Agentur Helliwood Bildungsinitiativen und -programme im Themenfeld digitale Medien. Er vermittelt auf eine eigene Art die faszinierend einfache Botschaft, dass wir alle mit unseren ureigenen Stärken in der Lage sind, in einer voll digitalisierten Welt zu bestehen.

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