Welche Welt wollen wir programmieren?

Schon mehrfach habe ich hier geschrieben, dass Programmcodes unser Leben durchziehen und dass durch Programmierung unser Leben wesentlich (mit)gestaltet wird. Ich will mit einem einfachen Beispiel veranschaulichen, was ich damit konkret meine.

Wie Sie selbst sicherlich auch habe ich schon des Öfteren mit irgendwelchen Service-Hotlines telefoniert, weil beispielsweise eine Onlinebestellung zu spät ankommen würde, eine Lieferung nicht geklappt hat, eine Abbuchung zurückgekommen ist – what ever. Und mehr als einmal erhielt ich dabei den freundlichen, aber nutzlosen Hinweis „Tut mir leid, das ist jetzt schon so im System, da kann ich nichts mehr dran ändern.“ Den Serviceleuten, die durchaus hilfsbereit waren, waren schlicht die Hände gebunden. Einmal im System verbucht, war kein Rankommen mehr an den Vorgang. Keine Änderung möglich. Die zu spät ankommende Sendung wird einfach losgeschickt, obwohl sie noch im Lager liegt, bloß weil das System den Lieferprozess schon gestartet hat.

Das ist absurd.

Und das ist etwas, was Programmiererinnen und Programmierer so entschieden oder zumindest auf Anweisung so umgesetzt haben. – Und an so einer Stelle müssen wir anfangen, uns und unsere Kinder dazu zu befähigen, die Programmierung und ihre Konsequenzen zu hinterfragen. Wollen wir zum Beispiel Systeme, die Service-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern keine anderen Handlungsmöglichkeiten lassen als die fest vorgegebenen Abläufe und die es ihnen unmöglich machen, auf Ungeplantes spezifisch zu reagieren, die ihnen damit auch sämtliche – persönliche – Verantwortung abnehmen? („Unser Buchungssystem ist schuld, ich kann da leider nichts machen.“)

Ich will so etwas nicht. Ich will Menschen am Telefon haben, die entscheidungs- und handlungsfähig sind. Dass das dann eben keine Mindestlohn-Angestellten sein können, sondern qualifizierte, gut bezahlte Menschen sein müssen, ist mir vollkommen klar. Wenn diese mir dann aber tatsächlich helfen können, bezahle ich für das Hotline-Telefonat gern auch etwas Geld. Doch den kostenlosen Hinweis darauf, dass man leider nichts tun könne, brauche ich wirklich nicht.

Und das ist nur ein kleines, relativ harmloses Beispiel. Hier geht es nur um eine lapidare Onlinebestellung. In Wirklichkeit betrifft diese Frage jedoch Systeme aller Art. Und deshalb ist deren Gestaltung letztlich keine (programmier)technische Frage, sondern eine gesellschaftliche und in bestimmten Fällen auch eine ethische. Und um diese beantworten zu können, brauchen wir Wissen über und ein Verständnis von Programmierung und Programmcodes. Ansonsten sind wir dazu verdammt, die Dinge um uns herum einfach geschehen zu lassen und zu hoffen, dass schon alles irgendwie gutgehen wird.

Thomas Schmidt, Medien- und Kompetenzexperte entwickelt seit mehr als 15 Jahren mit der Agentur Helliwood Bildungsinitiativen und -programme im Themenfeld digitale Medien. Er vermittelt auf eine eigene Art die faszinierend einfache Botschaft, dass wir alle mit unseren ureigenen Stärken in der Lage sind, in einer voll digitalisierten Welt zu bestehen.

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